Die Insel Réunion steht vor der Herausforderung, sich von importierten fossilen Brennstoffen zu verabschieden und bis 2030 Energieautonomie zu erreichen, ein Ziel, das im mehrjährigen Energieprogramm der Region (PPE) festgelegt ist. Die französische Umwelt- und Energiemanagementagentur ADEME hat 2019 den neuesten Bericht über die Fortschritte der Entwicklung und Zukunftsszenarien für die Insel vorgelegt, welche die Verwirklichung dieses Plans ermöglichen.

Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch

Im März 2019 überarbeitete und genehmigte der Regionalrat von Réunion die Energiestrategie der Insel, das Mehrjährige Energieprogramm (PPE), welches durch das Gesetz zur Energiewende für grünes Wachstum vom August 2015 begründet wurde und das die Ziele der Insel in Bezug auf die Energieerzeugung definiert.
Im Jahr 2018 machten erneuerbare Energien 36,5% der Stromerzeugung auf der Insel aus, 4% mehr als im Jahr 2017, was zeigt, dass die politische Idee in reale Maßnahmen umgesetzt wird. Rund 20% entfallen auf Wasserkraft und 9% auf PV, Wind und Biogas. Während der Anteil der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien wächst, bleibt eine Frage offen: Ist es möglich bis 2030 das Ziel von 100% erneuerbaren Energien zu erreichen?

Wie wird sich die Art der Energieerzeugung verändern?

Um die Auswirkungen einer hunderprozentigen Deckung durch erneuerbare Energien zu untersuchen und fundierte politische Entscheidungen zu ermöglichen, führte ADEME Studien zum lokalen Energiemarkt durch, in denen das Stromversorgungssystem und verschiedene Produktionsszenarien, sowie Veränderungen in der demografischen Entwicklung der Insel, Veränderungen im Verkehr, sowie das Energiebedarfsmanagement untersucht wurden. Fünf Zukunftsszenarien zeigen einen möglichen Energiemix auf der Insel – darunter drei Szenarien, die weiterhin Energieimporte ermöglichen: Das „trendbasierte“ Szenario, das sich auf die aktuellen Trends und Entwicklungen stützt und von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung auf deren Basis ausgeht, ein weiteres Szenario welches konventionelle Technologien begünstigt, und ein drittes, das den Ausbau erneuerbarer Energien bevorzugt. Dank des Imports von Biomasse wird auch in diesen Szenarien Kohlekraft zu Gunsten eines 100% erneuerbaren Mixes abgeschafft. Schließlich konzentrieren sich die zwei letzten Szenarien auf eine autarke Energieerzeugung ohne Energieimporte und das Ziel von 100% erneuerbaren Energien bis 2030, wobei eine Variante sogar die Umstellung auf Elektromobilität miteinrechnet.

Bei einem zu erwartenden Bevölkerungswachstum von 14% und eine Steigerung des Stromverbrauchs um mindestens 20%, von 2.746 GWh im Jahr 2017 auf mindestens 3.313 GWh im Jahr 2030, müssen die Produktionskapazitäten entsprechend erhöht werden, um den Bedarf zu decken. Dies wird zu einem starken Wachstum der installierten PV-Kapazität führen, denn PV ist kostengünstig und wartungsarm. Es kann auch mit bereits vorhandener Infrastruktur wie Dächern, Parkplätzen und an Verkehrsinfrastruktur angrenzende Flächen kombiniert werden, was auf der Insel Réunion aufgrund der beschränkten zur verfügung stehenden Fläche wichtig ist. Das Ziel von 100% erneuerbaren Energien führt wahrscheinlich dazu, dass bis zu 80% der Dächer der Insel mit PV ausgestattet werden. Die hohe Variabilität der erzeugten Energie bleibt jedoch eine Herausforderung für die Energieerzeuger und den Übertragungs-/Verteilernetzbetreiber (EDF). Vordefinierte Lastprofile für Solarkraftwerke und kurzfristige Sonneneinstrahlungsprognosen ermöglichen jedoch schon heute eine bessere Planung und größtmögliche Nutzung verfügbarer Sonnenenergie. Die Entwicklung in den kommenden Jahren wird dazu führen, dass die Photovoltaikkapazität 31% des Energiemixes ausmacht, gefolgt von Wasserkraft (27%) und lokaler Biomasse (15%). Im Falle der autarken Energieversorgung müssten PV-, Wind- und Wasserkraftwerke zusätzlich die andernfalls importierte Biomasse zur Energieerzeugung ausgleichen. Beim Umstieg auf Elektromobilität wird schließlich angenommen, dass sich die PV-Kapazität von ca. 700 MWp auf 1200 MWp verdoppelt. Auf der Insel La Réunion ist der Verkehrssektor der größte Energieverbraucher (64,5% im Jahr 2018).

Die Studie kam zu dem Schluss, dass die lokalen EE-Potenziale ausreichen, um einen zu 100% erneuerbaren Strommix sicherzustellen und gleichzeitig den gesamten Strombedarf zu jeder Zeit zu decken, und das unter Beachtung aller bestehenden Einschränkungen wie Nationalparks u.a.

Bild 1: Der Produktionsmix von Reunion Island im Jahr 2017 vs. Die maximal mögliche Produktion aus erneuerbaren Quellen im Jahr 2030 (GWh). Quelle: Ademe (2019)

Bild 1: Produktionsmix 2017 (2.985 GWh) (links) vs. Höchstmögliche Stromerzeugung (4.834 GWh) aus 100% erneuerbaren Quellen im Jahr 2030 (rechts). Der Stromverbrauch wird je nach Szenario im Jahr 2030 voraussichtlich zwischen 3.313 und 4.067 GWh liegen.

Wirtschaftliche Auswirkungen für die Region

Der Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien im Energiemix geht mit einem Rückgang der Kosten für die erzeugte Energie einher (gemittelter LCOE). Während der LCOE zwischen erneuerbaren Energien und konventionellen Erzeugungstechnologien zwar bereits konvergiert, müssen auch die lokalen Bedingungen berücksichtigt werden. Brennstoffimporte verteuern traditionell die Energieerzeugung auf einer Insel, während PV und Bagasse kostengünstige Alternativen für Reunion Island bieten. Den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und eine autarke Energieerzeugung anzustreben, ist daher für die Insel sinnvoll. Diese Veränderung der Energiepolitik in der Region wirkt sich positiv auf den LCOE von derzeit 145 / MWh aus. Während ein für fossile Brennstoffe günstiges Steuerumfeld die damit verbundenen Kosten senken könnte, ist der Gewinner aller Szenarien eindeutig das „All Out Green“ -Szenario, das zu 100% auf erneuerbaren Strom abzielt und mithilfe dessen der LCOE auf 123 EUR / MWh gesenkt würde. Ein ähnlicher Effekt kann für andere Non-Interconnected Zones (NIZs) gezeigt werden.


Aber wie würden sich die Veränderungen auf die Gesamtkosten für die Stromerzeugung auswirken? Die reichlich vorhandene Wasserkraft hat bereits in der Vergangenheit die Gesamtkosten von Reunions im Vergleich zu anderen NIZ, nämlich Martinique und Guadeloupe, gesenkt. Trotz des vorhandenen Potenzials für EE machen Energieimporte den größten Teil der Gesamtkosten aus. Durch die Reduzierung der Energieimporte und die Umsetzung der Strategie zur autarken Energieversorgung werden die Produktionskosten in Réunion auf 99 €/MWh gesenkt, was einer Reduzierung von mehr als 30% gegenüber 2015 entspricht. Die Realisierung dieses Szenarios erfordert jedoch Investitionen in Höhe von rund 2,58 Mrd. EUR. Dies ist ein erheblicher Betrag (+ 68%) im Vergleich zu dem trendbasierten Szenario, bei dem die Importe nicht abgeschafft werden, und ist hauptsächlich auf neue PV- und Windparkanlagen zurückzuführen.

Die CO2-Emissionen werden von durchschnittlich 627 gCO2 / kWh im Jahr 2015 (Diesel) bzw. 1323 gCO2 / kWh (Kohle) auf durchschnittlich 66 gCO2 / kWh für das trendbasierte Szenario oder nNll für ein System aus 100% erneuerbaren Energien aus lokal verfügbaren Ressourcen sinken.

Reunion: Development of Energy Production CostsBild 2: Kostenstruktur für 100% erneuerbare Energien ohne Energieimporte (€/MWh)

Reunion – Solar Island

Eines haben alle prognostizierten Szenarien gemeinsam: Den Aufstieg der erneuerbaren Energien und den Niedergang der Dieselkraftwerke. Bis zum Jahr 2025 werden Dieselkraftwerke – 2019 gab es immerhin noch mehr als 200 MW installierte Leistung auf der Insel – nicht mehr mit erneuerbaren Energien konkurrieren können und nicht mehr als Reserve benötigt. Dieselkraftwerke können in der Übergangsphase eine Rolle spielen, aber mit dem Ausbau der Energiespeichersysteme auf der Insel werden sie überflüssig. Große Speicherparks, wie ein von EDF in Auftrag gegebener neuer 5-MW-Batteriepark in Saint-LEU, was dem Verbrauch von 8.000 Einwohnern entspricht, werden in Spitzenlastzeiten den Ausgleich bereitstellen. Ausreichende Speicherkapazität wird erforderlich sein, um die Sicherheit der Stromversorgung für jeden Haushalt auf der Insel La Réunion zu gewährleisten und die energiepolitischen Ziele Frankreichs für die ZNI zu realisieren. Kurzzeitspeicher mit Li-Ion-Batterien werden mit dem wachsenden PV-Anteil einhergehen und stellen eine für das Smart Grid wesentliche Technologie dar, mit einer geschätzten erforderlichen Speicherkapazität von 596 MW bis 2030, sowie weiteren 278 MW allein durch Elektrofahrzeuge.

Selbst in Anbetracht dessen, dass eine komplette Umstellung bis 2030 ein ehrgeiziges Ziel ist, geht Réunion auf dem Weg für eine nachhaltige Inselpolitik im Indischen Ozean und weltweit mit großen Schritten voran. Die Insel hat bereits 2006 das Observatoire Energie Réunion ins Leben gerufen, welches Teil der Energiestrategie der Region Réunion und ihren Partnern im Bereich Energy Governance ist. Es beobachtet und informiert über die Energiesituation auf der Insel Réunion. Damit hat die Region alle Instrumenten zur Umsetzung von Maßnahmen auf ihrem Weg zu 100% erneuerbaren Energien und zur Bewertung dieser Maßnahmen an der Hand. Folglich ist die Insel Réunion auf dem besten Weg, ihre Energiewende zu verwirklichen. Die Dinge, die wir niemals in Frage stellen, ändern sich nie, doch Réunion hat den Wandel angestoßen und ist inzwischen auf dem besten Weg, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu überwinden.

Zum Weiterlesen:
(1) Ademe, Studie zur Energieautonomie auf Réunion 2019 (FR)
(2) Ademe, Studie zur Energieautonomie auf Réunion 2019 (EN)
(3) Horizon Reunion: Energy Balance Report – 2019 Edition (FR)

Bildquellen: Bild 1: Studie (1) p.20 ; Bild 2: Studie (1) p.24

Über Reuniwatt (www.reuniwatt.com)
Reuniwatt ist eine global tätige Firma im Bereich Energiemeteorologie und Leistungsprognose. Auf Basis fundierter Forschungsarbeit bietet die Firma zuverlässige professionelle Dienstleistungen für unterschiedliche Anwendungen und vereint dabei umfassenden Kenntnisse aus den Bereichen Meteorologie, Atmosphärenphysik und Data Sciences, Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Leistungsprognose für Solaranlagen und der Entwicklung der neuesten Technik zur Verbesserung der kurzfristigen Vorhersage von Einstrahlungsdaten. Reuniwatt nimmt einen Spitzenplatz in Europa im Bereich Innovation ein und wurde mehrfach prämiert, u.a. durch das H2020’s SME Phase 1 Förderprogramm.