In seiner Klimarede am 23. Januar 2020 bezeichnete der stellvertretende Exekutivsekretär der Vereinten Nationen für Klimawandel, Ovais Sarmad, 2020 als “ein kritisches Jahr für die Bekämpfung des Klimawandels”. In Europa, wo Ausschreibungen und PPAs den Markt für goße PV-Anlagen in den kommenden Jahren voraussichtlich ankurbeln werden, ist der Eigenverbrauch ein wichtiger Aspekt, und auch die Endverbraucher fordern mittlerweile den Übergang zu erneuerbaren Energien: 70% der befragten Europäer beabsichtigen zu einem grünen Energieversorger zu wechseln oder haben bereits gewechselt. Erneuerbare Energien sind Teil fast jeder Strategie zum Klimawandel – aber wie wird sich der Klimawandel auf die Stromerzeugung aus PV auswirken?
Klimawandel und Solarkraft
Der Global Risks Report 2020 der Zurich Insurance Group hebt die mangelnde Anpassung an den Klimawandel als wahrscheinlichstes Risiko (nur von extremen Wetterereignissen übertroffen) und als das Risiko mit den stärksten Auswirkungen hervor. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich der Klimawandel auf die Solarenergie in Europa auswirken könnte, ist der wichtigste Aspekt, der berücksichtigt werden muss, die Leistung von PV-Anlagen in den veränderten Bedingungen. Selbstverständlich wird es andere Faktoren geben, die die Gesamtnachfrage nach Solarenergie beeinflussen, nicht zuletzt der Einsatz von erneuerbaren Energien als Hauptmaßnahme zur Dekarbonisierung auf der Seite der Energieproduzenten. Auf der Verbraucherseite könnte der Klimawandel zu Änderungen des Energiebedarfs führen, z.B. könnte es einen erhöhten Verbrauch durch den Einsatz von Klimaanlagen, sowie weniger zum Heizen aufgrund wärmerer Bedingungen, und auch eine straffere Klimapolitik könnten in den kommenden Jahren zu weiteren Anstrengungen im Hinblick auf die Steigerung der Energieeffizienz führen, wodurch der Strombedarf bis 2050 voraussichtlich um 10% gesenkt wird.²
Bild 1: Changes in Annual Mean Temperature and Annual Precipitation. Bildquelle: eea.europa.eu/
Wie wird sich der Klimawandel auf die Energieerzeugung des PV-Sektors auswirken? Die Erzeugung von PV-Strom hängt von der Temperatur der PV-Zelle, der einfallenden Bestrahlungsstärke auf der Moduloberfläche und dem jeweiligen Sonnenspektrum ab. Der Klimawandel wirkt durch direkt darauf ein, indem er die Lufttemperatur und Windgeschwindikeiten an der Moduloberfläche beeinflussen kann. Darüber hinaus kann er auch die einfallende Bestrahlungsstärke und das einfallende Spektrum beeinflussen, z.B. duch Änderung der Aerosolzusammensetzung, sowie die Degeneration des Materials (höhere Temperaturen) und das Auftreten von Schmutz und mechanischen Schäden auf der Moduloberfläche (weniger Niederschlag, extremes Wetter) beeinflussen.
Es ist nicht sicher, wie sich die auf der Erde eintreffende Sonnenenergie in den nächsten Jahrzehnten ändern wird, aber es kann zu Veränderungen kommen, welche durch den Klimawandel und die Luftverschmutzung beeinflusst werden.
Die jährlichen durchschnittlichen Landtemperaturen in Europa werden voraussichtlich weiter um mehr als die globale Durchschnittstemperatur ansteigen, wobei in Südeuropa weniger Niederschlag fallen wird. Solche Effekte können aus verschiedenen Szenarien (RCPs) abgeleitet werden, die als Input für die Klimamodellierung dienen.
Bild 2: Szenarien für verschiedene RCPs. Bildquelle: www.globalcarbonproject.org
Kann Europa weiterhin eine konstante Solarleistung erwarten?
Klimamodelle sind numerische Darstellungen verschiedener Teile des Klimasystems der Erde. Modelle, die vergangene und aktuelle Klimazonen genau wiedergeben, können verwendet werden, um vorherzusagen, wie sich Klima in Zukunft verändern könnte. Mittels Globaler Klimamodelle, sogenannter GCMs, werden großräumige Effekte simuliert und viele Aspekte des Klimasystems berechnet, wie die einfallende Strahlung und die Bildung von Wolken und Niederschlag. Regionale Klimamodelle (RCMs) erhöhen die Auflösung des GCM in einem begrenzten Bereich. Im Jahr 2015 analysierte eine Studie die Auswirkungen des Klimawandels auf die europäische PV-Versorgung bis zum Ende des Jahrhunderts und kombinierte RCMs je mit einem GCM für ein Set aus verschiedene Emissionsszenarien.
Die Gruppe verwendete EURO-CORDEX, ein für Europa ausgelegtes Ensemble für den Klimawandel, das aus verschiedenen RCMs besteht, mit denen fünf verschiedene GCMs auf eine horizontale Auflösung von 12,5 km verkleinert werden sollen, und verwendete dies in Kombination mit einem umfassenden Satz globaler Klimaprojektionen (CMIP5).
Daraus simulierte Änderungen der potenziellen Produktion (PVpot) am Ende des 21. Jahrhunderts, einschließlich der geschätzten Sonneneinstrahlung, Lufttemperaturen und Oberflächenwindgeschwindigkeiten, zeigten für den Ensemble-Mittelwert eine leicht negative Tendenz für Nordeuropa, mit den größten Differenzen im Winter und den kleinsten im Sommer. Die Ergebnisse variieren je nach Szenario, und GCMs lieferten ein durchweg anderes Bild als RCMs. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Tendenz von Norden nach Süden positiver wurde, wobei die positivste Tendenz für Südeuropa im Sommer zu verzeichnen war.
Die Studie simulierte u.a. das RCP8.5-Emissionsszenario, das sogenannte “Business-as-usual” -Szenario, und kam zu dem Schluss, dass die größten Rückgänge in den nördlichsten europäischen Ländern stattfinden würden (bis zu -14% des PVpot oder –10 W m –2 bis –20 W m –2 ), wobei die Stromerzeugung und ihre zeitliche Stabilität in südeuropäischen Ländern leicht zunehmen (ungefähr 5 W m –2 ) und es wenig bis gar keine positiven Auswirkungen auf die mitteleuropäischen Regionen geben würde. Die Studie ergab nur geringe Auswirkungen auf die mittleren Produktionswerte und die zeitliche Stabilität der PV-Stromversorgung in Europa. Eine zweite Studie bestätigte diese Ergebnisse für RCP 8.5, kam jedoch zu dem Schluss, dass die Energieerträge von PV-Anlagen in manchen Teilen der Welt, wie beispielsweise in Südchina, positiv beeinflusst werden könnten, in anderen hingegen negativ. Für Frankreich sind unter RCP 4.5-Bedingungen Änderungen von bis zu –2% und unter RCP 8.5-Bedingungen von bis zu –3% zu erwarten.
Bild 3: RCP8.5 – Auswirkung auf Epot und entsprechende Extremverläufe (Emax und Emin). Bildquelle: Jerez, S., et al. (2015)
Die indirekten Auswirkungen von Aerosolen (natürlich Auftretende und Emissionen), Änderungen der Landnutzung und die Verteilung des Sonnenspektrums sind einige der Faktoren, die nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt deuten die Ergebnisse auf keine signifikante Bedrohung für den PV-Sektor in Europa hin.
Vorhersagen werden immer wichtiger
Mit der wachsenden Kapazität erneuerbarer Energien, welche eine natürliche Variabilität aufweisen, mit der Ausweitung des Solar-Prosumer-Modells, d.h. gleichzeitigen Produzenten wie Konsumenten von Strom, und der Notwendigkeit einer kurzfristigen Nachfrageänderung zu genügen, um die Energieeffizienz steigern zu können, gibt es ausreichend Gründe, in Technik für die Energiemeteorologie zu investieren. Reuniwatts InstaCast™ ist ein solches Produkt, welches hochaufgelöste Vorhersagen für lokaler Ereignisse bietet, und die optimale Leistungssteuerung ermöglicht.
Der Klimawandel wird jedoch neue Herausforderungen für die bestehende Algorithmen mit sich bringen: Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, starke Niederschläge und große Stürme gelten als Indikatoren für sich ändernde Wettermuster im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Während sich die numerischen Wettervorhersagemodelle der Atmosphäre in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verbessert haben, können sie auch heute noch Extremereignisse nicht zuverlässig vorhersagen. Daher arbeiten Forscher derzeit an einem noch besseren Verständnis für das Auftreten extremer Wetterbedingungen. Zukünftige Netze mit starker PV-Durchdringung werden von der weiterentwickelten Prognosetechnologie profitieren.
Literatur:
(1) Mier, M., Weissbart, C. (2020): Power markets in transition: Decarbonization, energy efficiency, and short-term demand response.
(2) Jerez, S., et al. (2015): The impact of climate change on photovoltaic power generation in Europe.
(3) Wild, M., et. al. (2015): Projections of long-term changes in solar radiation based on CMIP5 climate models and their influence on energy yields of photovoltaic systems.
(4) Chattopadhyay, A. et. al (2020): Analog Forecasting of Extreme‐Causing Weather Patterns Using Deep Learning.
Reuniwatt ist eine global tätige Firma im Bereich Energiemeteorologie und Leistungsprognose. Auf Basis fundierter Forschungsarbeit bietet die Firma zuverlässige professionelle Dienstleistungen für unterschiedliche Anwendungen und vereint dabei umfassenden Kenntnisse aus den Bereichen Meteorologie, Atmosphärenphysik und Data Sciences, Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Leistungsprognose für Solaranlagen und der Entwicklung der neuesten Technik zur Verbesserung der kurzfristigen Vorhersage von Einstrahlungsdaten. Reuniwatt nimmt einen Spitzenplatz in Europa im Bereich Innovation ein und wurde mehrfach prämiert, u.a. durch das H2020’s SME Phase 1 Förderprogramm. Reuniwatt wurde zudem im Januar 2020 ausgewählt, am renommierten French Tech 120-Programm für aufstrebende Unternehmen teilzunehmen.